Geburt und Warnsignale
In vielen Fällen verläuft eine Fohlengeburt ohne Komplikationen. Um Probleme während der Geburt eines Fohlens jedoch rechtzeitig zu erkennen, ist es gut zu wissen, wie eine normale Geburt verläuft. In vielen Situationen kann der Züchter seiner Stute und dem Neugeborenen unterstützend zu Seite stehen, in bestimmten Fällen ist jedoch schnelle Hilfe eines Tierarztes nötig.
Hier finden Sie Informationen zu folgenden Themen:
- Normaler Geburtsverlauf
- Die ersten Stunden nach der Geburt
- Routineuntersuchung nach der Geburt / Immuntest
- Geburtsstörungen – ein Notfall
Normaler Geburtsverlauf
Jede normale Geburt verläuft in 3 Phasen:
- Eröffnungsphase
- Austreibungsphase
- Nachgeburtsphase
Eröffnungsphase
Die Eröffnungsphase läutet die Geburt ein: Der Muttermund weitet sich allmählich, die Gebärmutter zieht sich zusammen, die Wehen setzen ein. Die Wehen können bis zu einer Stunde andauern. Dabei zeigt die Stute folgendes Verhalten:
- Unruhe
- Schwitzen
- Umschauen zum Bauch
- Aufstampfen
- Abwechselndes Hinlegen und Aufstehen
- Häufiges Absetzen von Kot
Züchter sollten das Tier in dieser Phase beobachten und möglichst wenig stören.
Austreibungsphase
Mit dem Sprung der Fruchtblase beginnt die Austreibungsphase, das heißt, neben der Gebärmutter ziehen sich auch die Bauchmuskeln der Stute ruckartig zusammen und schieben dadurch das Fohlen aus der Gebärmutter und durch den Geburtskanal. Dabei legen sich die meisten Stuten hin.
In der Regel werden Fohlen in der sogenannten gestreckten oberen Vorderendlage geboren, d. h. mit den Vordergliedmaßen und dem Maul voran.
Die Eihäute werden in der Regel innerhalb von 30 Minuten nach der Geburt ausgestoßen. Sind Nase und Maul des Fohlens von Eihäuten bedeckt, sollten diese schnell entfernt werden, damit das Fohlen atmen kann.
Die Nabelschnur sollte nicht durchtrennt werden, solange Stute und Fohlen noch liegen, damit noch möglichst viel Blut aus der Plazenta in den Kreislauf des Fohlens fließen kann. In der Regel reißt die Nabelschnur beim Aufstehen von Stute oder Fohlen von alleine. Es ist wichtig, dass der Züchter den Nabelstumpf auf Blutungen hin untersucht und mit einer Jodlösung gründlich desinfiziert. Aufgrund des großen Infektionsrisikos ist die Desinfektion nach einigen Stunden und in den nächsten Tagen zu wiederholen. Darüber hinaus sollte der Nabel in den nächsten 14 Tagen einmal täglich auf Anzeichen einer Entzündung (Schwellung, Schmerzhaftigkeit, Feuchtigkeit, Hitze) untersucht werden.
Um den Kreislauf anzuregen, wird eine erfahrene Stute ihr Fohlen im Normalfall ablecken, ist sie möglicherweise von der Geburt noch zu erschöpft, kann auch der Züchter den Kreislauf aktivieren, indem er das Fohlen mit Stroh abreibt.
Nachgeburtsphase
Im Normalfall geht die Nachgeburt innerhalb einer Stunde nach der Geburt ab, spätestens nach 2 Stunden. Ist das nicht der Fall, ist dringend der Tierarzt zu informieren. Ist die Nachgeburt abgegangen, sollte sie – ebenso wie die Eihäute – zur Überprüfung auf Vollständigkeit auf der Stallgasse ausgebreitet werden. Bleiben kleine Stücke in der Gebärmutter zurück, kann dies bei der Stute zu einer Gebärmutterentzündung oder zu einer Geburtsrehe führen. Beides ist lebensbedrohlich, daher ist in diesem Fall der Tierarzt zu verständigen.
Die ersten Stunden nach der Geburt
Etwa 15 bis 20 Minuten nach der Geburt beginnt das Fohlen bereits mit seinen ersten Aufstehversuchen. Nach etwa einer Stunde sollte es recht stabil stehen und sich intensiver mit der „Milchbar“ beschäftigen. Für das Fohlen ist es wichtig, dass es ausreichend und frühzeitig – etwa 2 bis 3 Stunden nach der Geburt – Erstmilch (Kolostrum) aufnimmt, da sie das Immunsystem des Fohlens stärkt: Mütterliche Antikörper können nur innerhalb der ersten 24 Stunden über den Darm des Fohlens vollständig aufgenommen werden. Jedoch nimmt die Durchgängigkeit der Darmschranke bereits nach 12 Stunden deutlich ab.
Im den ersten 6 bis 12 Lebensstunden sollte das Fohlen mindestens 2 Liter Kolostrum aufgenommen haben. Der erste Stuhl (das Darmpech oder auch Mekonium) sollte etwa 3 bis 24 Stunden nach der Geburt abgegangen sein. Da eine Mekoniumverhaltung zu einer mitunter lebensbedrohlichen Erkrankung des Fohlens führen kann, kann das Absetzen durch einen Einlauf (Klistier) nach der ersten Milchaufnahme unterstützt werden.
Tipp: Kolostrummilch aus dem Kühlschrank
Es kann sein, dass die Stute zunächst keine Milch gibt. Daher hat es sich bewährt, wenn Züchter stets etwas Kolostrummilch im Kühlschrank aufbewahren, die sie dem Fohlen per Flasche füttern können. Die Kolostrummilch kann vorher von anderen Stuten genommen werden.
Routineuntersuchung nach der Geburt und Immuntest
Auch wenn das Fohlen keine Anzeichen einer Erkrankung oder Anomalien aufweist, sollte der Tierarzt 12 bis 24 Stunden nach der Geburt eine Routineuntersuchung von Stute und Fohlen durchführen. Um festzustellen, ob das Fohlen genügend Antikörper (vor allem Immunglobulin G, IgG) mit dem Kolostrum aufgenommen hat, gibt es einen Schnelltest (den sogenannten SNAP-Test), mit dem sich der IgG-Spiegel untersuchen lässt. IgG ist für das Fohlen wichtig, denn es bietet ihm in den ersten Lebenswochen einen gewissen Schutz vor Infektionen. Umgekehrt bedeutet ein zu niedriger IgG-Spiegel, dass das Fohlen leichter an potenziell schwerwiegenden Infektionen erkranken kann. Zeigt der Test in den ersten 8 bis 12 Lebensstunden des Fohlens einen Mangel an IgG an, lässt sich dieser ausgleichen, indem das Fohlen zusätzliches Kolostrum erhält
Geburtsstörungen – ein Notfall
Im Normalfall braucht die Stute keine Hilfe bei der Geburt. Züchter sollten jedoch eingreifen und/oder den Tierarzt verständigen, wenn
- die Fruchtblase nicht beim Herauspressen des Fohlens platzt
- das Fohlen verkehrt herum liegt
- das Fohlen nach 30 Min noch nicht vollständig geboren ist
- die Nachgeburt und Eihäute nach 2 Stunden noch nicht vollständig abgegangen ist (Nachgeburtsverhaltung)
- das Fohlen kein Darmpech absetzt
Solche Geburtsstörungen sind stets Notfälle und erfordern ein umgehendes Handeln. Bis zum Eintreffen des Tierarztes sollte der Züchter die Stute am Niederlegen hindern und im Schritt führen, das mildert die Bauchpressentätigkeit.
Die Geburt: auf einen Blick
Mittlere Trächtigkeitsdauer | 336 (322 – 387) |
Dauer der Geburt | 2 – 3 Stunden |
Dauer der Nachgeburtsphase | < 60 Minuten |
Laktationsdauer | 6 Monate |
Einsetzen der Fohlenrosse | 5 – 12 Tage nach der Geburt |
Erste Aufstehversuche | 15 – 20 Minuten nach der Geburt |
Erstes Stehen | ca. 1 Stunde nach der Geburt |
Erstes Saugen | ca. 2 Stunden nach der Geburt |
Abgang des Darmpechs | 3 – 24 Stunden nach der Geburt |
Harnabsatz | Innerhalb von 12 Stunden nach der Geburt |
Körpertemperatur | 37,1 – 38,9° C |
Atmung (1. Stunde) | 60 – 80 pro Minute |
Puls (1. Stunde) | 80 – 130 pro Minute |
Infektionsschutz
Um mögliche Infektionen des Fohlens so gut es geht zu vermeiden, sollte die Stute gegen Tetanus, Influenza und Herpes geimpft sein. Das neugeborene Fohlen profitiert davon in den ersten Lebenswochen indirekt über die im Kolostrum enthaltenen Antikörper (passive Immunisierung). Häufig wünschen sich Züchter eine „Impfung“ des neugeborenen Fohlens: Gemeint ist dabei aber meist eine Paraimmunisierung des Fohlens mit sogenannten Paraimmunitätsinducern. Diese unterstützen das Immunsystem bei der Abwehr von Krankheitserregern. Die „echte“ Impfung gegen Infektionskrankheiten darf hingegen erst ab dem 6. Lebensmonat des Fohlens erfolgen. Bis dahin erstreckt sich normalerweise auch der Schutz, den das Jungtier durch die mütterlichen Antikörper über das Kolostrum erhalten hat.
Zusammengefasst sind folgende Maßnahmen wichtig:
- Impfung der Mutterstute
- ausreichende und rechtzeitige Aufnahme von Kolostralmilch durch das Fohlen
- effektive Nabeldesinfektion und weitere Nabelkontrollen
- Hygiene in der Box
- Einschränkung oder Reduzierung der Pferdekontakte rund um den Zuchtstall
Allgemeine Quellen
Aurich, J.E. Geburtshilfe, in: Aurich, Chr.: Reproduktionsmedizin beim Pferd, Parey 2009
Unterstab, W.: Untersuchung zur IgG-Bestimmung beim neugeborenen Fohlen, Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Grades eines Dr. med. vet. beim Fachbereich Veterinärmedizin der Justus-Liebig-Universität Gießen 2016
http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2016/12193/pdf/UnterstabWiebke_2016_06_21.pdf
Tierklinik Sarstedt: Geburt und Erstversorgung eines neugeborenen Fohlens
https://www.tierklinik-sarstedt.net/pferdeklinik/wissenswertes-f%C3%BCr-pferdebesitzer/fohlengeburt-und-erstversorgung/
Ahlswede, L.: Leitfaden für die Pferdezucht, Intervet Deutschland GmbH 2011
Tierarzt Praxis für Pferde in Merklingsen: Ein Fohlen wird geboren – was Sie darüber wissen müssen
http://www.tierarzt-praxisfuerpferde.de/pferd/fohlen.html
Ludwig-Maximilians-Universität München, Klinik für Pferde: Gynäkologische Erkrankungen der Stute
Deutsche Quarter Horse Association e.V.: Vorbereitung auf die Geburt
https://www.dqha.de/zucht/gesundheit-krankheit/rund-um-die-fohlengeburt/
Pamela Sladky, P., Mit voller Abwehrkraft voraus! In: Pferderevue, Österreichischer Agrarverlag Druck und Verlags Gesellschaft m.b.H. Nfg. KG
https://www.pferderevue.at/magazin/haltung_fuetterung/2015/11/mit_voller_abwehrkraftvoraus.html